Kazakhstan Tranzit

On the road again – nach gefühlten 1001 Nächten in Kirgistan sind wir endlich wieder unterwegs. Unser nächstes Zwischenziel ist die mongolisch-chinesische Grenze, an der wir Anfang Juli unsere irisch-englisch-deutsche China-Reisegruppe mit 3 Fahrzeugen und den chinesischen Reiseführer treffen sollen – wir geben die Hoffnung nicht auf.
Dazwischen liegen 5000 spannende Kilometer in Kasachstan, Sibirien und der Mongolei. Da die Strecke weit und die Zeit begrenzt ist, haben wir uns entschieden, Kasachstan und Sibirien mehr oder weniger zügig zu durchfahren und uns den Baikalsee und die Mongolei dafür ausführlicher anzuschauen.

Der erste Teil dieses “Transits” ist also Kasachstan. Das neuntgrößte Land der Welt ist nicht zuletzt dank seiner reichen Ölvorkommen das modernste der “Stans” auf unserer Strecke. Während es Almaty im Süden des Landes mit seinen Alleen, der Tram und den schicken Cafés mit jeder osteuropäischen Hauptstadt aufnehmen kann, erinnert Astana im Norden eher an eine Mischung aus Ashgabat (Turkmenistan) und Dubai. Dazwischen liegen die unendlichen Weiten der kasachischen Steppe… Pferde, Schafe, Kamele, Pferde, Schafe, Kamele. Unser Abstecher in den Charyn Canyon und um den Kapshagay See bot dazu eine willkommene Abwechslung. Der Großteil der Strecke führte uns allerdings auf einem kerzengeraden Highway bei stetem Steppenwind durch trockene, überwiegend leere Landschaft. Man fährt bis zum Horizont um dort, hinter einer Kuppe, die nächsten 50 km gerade Straße bis zum Horizont zu erspähen. Im Vergleich zum dicht besiedelten Europa irgendwie entspannend. Schlaglöcher und Hörbücher halten uns dabei wach.
Bei so einer Transitreise kommen die Kontakte zu den Menschen leider viel zu kurz. Bei den Begegnungen, die wir mit Kasachen hatten, haben wir aber immer sehr offene und hilfsbereite Menschen erlebt.

Ein Blick in die jüngere Geschichte des Landes lässt einen verwundert feststellen, dass das kasachische Volk für den Weg von Jurte und Pferdesattel zu Shoppingmall und Luxusgeländewagen gerade einmal 80 Jahre Zeit hatte.
Während zu Beginn des 18. Jahrhunderts die als Nomaden lebenden Kasachen vor den Übergriffen der Mongolen bei den Russen Schutz suchten (und fanden), sahen sie sich in den folgenden Jahrzehnten zunehmender ungewollter russischer Annektion und Besiedlung ausgesetzt. Zahlreiche Versuche, sich davon wieder zu befreien, wurden blutig niedergeschlagen. Um 1930 erzwang die russische Führung schließlich die “Denomadisierung” des kasachischen Volkes und überführte es in kommunistische landwirtschaftliche Kollektive. Als Reaktion darauf schlachteten viele Nomaden ihre ganzen Herden, anstatt sie in Staatsbesitz des von ihnen abgelehnten Staates zu übergeben.

Seit dem Zerfall der Sowjetunion wird Kasachstan von ein- und demselben Präsidenten geführt – Nursultan Nazarbaev. Die Einnahmen aus den beiden bisher erschlossenen Ölfeldern in Westkasachstan (zusammen größer als sämtliche Ölvorkommen der USA) bescheren dem Land einen gewissen Wohlstand und Nazarbaev eine stabile Regierungszeit. Regelmäßig erschossen aufgefundene Oppositionspolitiker, weitreichende Korruption, schlechte medizinische Versorgung und eine hohe Inflationsrate haben daran bisher nichts geändert. 1997 “verlegte” Nazarbaev die Hauptstadt von Almaty nach Astana, damals eine unbedeutende Provinzstadt, und verwirklicht seither mithilfe renommierter internationaler Architekten und den Ölmillionen seine Vorstellung des modernen Kasachstans. Immerhin hat die berühmteste Shoppingmall die Form eines riesigen gläsernen Zeltes – vielleicht eine Anspielung auf die Wurzeln der Nation.

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