64 Beobachtungen im Reich der Mitte

“China ist riesig, China ist komplex, China entwickelt sich rasend.” Wir hatten vier Wochen Zeit, uns in einem Land umzusehen, von dem man so viel liest und doch so wenig kennt. Viel Zeit für Beobachtungen, wenig Zeit für Verarbeitung und Verständnis. Deswegen möchten wir hier ein paar unserer Beobachtungen teilen, in loser Abfolge zusammengestellt, unvollständig, subjektiv. Viel Spaß beim Schmökern!

  1. China ist sehr grün, zumindest die Teile, die wir bereist haben. Auch die Natur scheint hier zu boomen.
  2. Umweltverschmutzung sieht man als Reisender überraschend selten, aber wenn, dann richtig.
  3. Zum Beispiel in der Nähe der vielen Kohlekraftwerke, wo durch Kohlenstaub und Ruß alles schwarz ist.
  4. Aber auch die Orientierung der Chinesen in Richtung erneuerbarer Energien wie Wasser, Wind und Solar ist überall sichtbar. Deutsche alternative Energietechnik – wir sehen Dich gefährdet!
  5. Trotz aller Moderne werfen Chinesen ihren Abfall dort weg, wo er anfällt. Ob aus dem Autofenster oder auf den Restaurantfußboden.
  6. Das ist aber kein Problem, denn ein Millionenheer von Straßenkehrern und Putzkräften sorgt für Sauberkeit im öffentlichen Raum.
  7. Auch sonst scheint das Volk einen gewissen Sinn für Ästhetik zu haben, denn eine ganze Armee von Landschaftsgärtnern kümmert sich um eine ansprechende Bepflanzung von Regierungsgebäudegärten, Innenstädten und Autobahnen.
  8. Essen ist einer der wichtigsten Bestandteile der chinesischen Kultur. Zu Recht, finden wir, denn es schmeckt einfach phantastisch!
  9. Selbst auf den chinesischen Autobahnraststätten kann man sehr gut essen.
  10. Dabei essen Chinesen meist scharf.
  11. Chinesen in Sichuan essen noch schärfer.
  12. Gesundheit scheint wichtig: Chinesen essen viel Gemüse und machen morgens gerne Tai Chi.
  13. Ihre Getränke mögen die Chinesen gerne warm. Auch Bier!
  14. Einen chinesischen Ausdruck haben wir deshalb schnell gelernt: “bing piju” – “kaltes Bier”.
  15. Trotz gesundem Essen und Tai Chi: Chinesen rauchen viel und überall.
  16. Es gibt daher eine riesige Auswahl an Zigarettenmarken und Tabakshops an jeder Ecke.
  17. China ist ein günstiges Reiseland. Essen und Übernachtungen kosten nicht viel.
  18. Eintrittstickets zu Sehenswürdigkeiten und Autobahngebühren dagegen schon.
  19. Wir wundern uns, wie der einfache Chinese sich 15 EUR Eintritt für eine Sehenswürdigkeit leisten kann.
  20. Die Mehrheit der Chinesen kann das wohl nicht, da sie entweder arm sind und auf dem Land leben, oder arm sind und in den Fabriken im Osten schuften, um das Geld zu ihren Familien aufs Land zu schicken.
  21. Die kleine Mittelschicht und die noch kleinere Oberschicht sind aber zahlenmäßig trotzdem so groß, dass man sich in China in einem Konsumparadies wähnt.
  22. Unser chinesischer Guide ‘Spring’ sagt, dass 99% der Chinesen unzufrieden sind mit dieser ungleichen Verteilung.
  23. Zu offenen Unzufriedenheitsbekundungen kommt es dennoch nicht, denn…
  24. …der mächtige Staatsapparat zeigt eine massive Präsenz in der Öffentlichkeit durch Polizei und Militär.
  25. Die massive Präsenz der ‘Zivilpolizei’ sieht man nie, es sei denn, am Tiananmen-Platz wird ein Taschendieb verhaftet.
  26. Auch im Netz wird die Präsenz des großen Bruders fühlbar, z.B. sind Google und Google Maps geblockt.
  27. Bing und Apple Maps nicht. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
  28. Das wichtigste Tool für moderne Chinesen und digitale Touristen ist deswegen ein VPN-Tunnel in ein freies Land.
  29. Manchmal haben chinesische Behörden aber auch Humor und genehmigen lustige Straßenschilder. Gewollt oder ungewollt, zum Beispiel: “Wild Elephants, Please don’t blow!” oder “Do not try fatigue driving”.
  30. Man hat das Gefühl, dass die rote kommunistische Propaganda am Straßenrand durch blaue Mobilfunkwerbung ersetzt wurde.
  31. Auch sonst sieht man als Tourist in China vom Kommunismus nicht viel.
  32. Vom Kapitalismus dagegen schon.
  33. Denn absolut überall in China wird gebaut.
  34. Man fragt sich, wer zB. in all die Apartmentblocks einziehen soll.
  35. Aber sobald man zu einer der vielen konkurrierenden und perfekt erschlossenen Sehenswürdigkeiten fährt, versteht man.
  36. Denn chinesische Sehenswürdigkeiten sind alle hoffnungslos überlaufen.
  37. Um auch in Zukunft alle Touristen zu den Attraktionen zu bringen, wird massiv in Infrastruktur investiert.
  38. Weil schneller gebaut als gezeichnet wird, ist die Hälfte der Autobahnen in China auf keiner Karte zu finden.
  39. Diese neuen Autobahnen sind Weltklasse.
  40. Die Landstraßen leider nicht.
  41. Zudem wird überall im Land fieberhaft an Trassen für den neuen Hochgeschwindigkeitszug gebaut.
  42. So wundert man sich nicht weiter, wenn man liest, dass China 60% der weltweiten Produktion an Zement und Stahl konsumiert.
  43. Mit eigenen Augen bestaunen kann man das chinesische Wirtschaftswunder auf den Autobahnen, die wie gigantische Ameisenstrassen wirken: LKW um LKW transportieren alles, von A wie Aluminium bis Z wie Zement, vom Rohstoff bis zur fertigen Ware.
  44. Auch Chinesen staunen häufig, über unsere seltsame Reisegruppe. Sie sind sehr neugierig, herzlich offen und grüßen häufig.
  45. Fast alle Chinesen fahren Elektroroller.
  46. Die anderen fahren Audi.
  47. Chinesen sind aber leider schlechte Autofahrer.
  48. Nicht verwunderlich, da sie zur ersten Generation auf vier Rädern gehören.
  49. Unser Guide erzählt, dass dies weder die erste noch die letzte Generation von Einzelkindern ist, verwöhnt und verhätschelt, Produkt der Ein-Kind-Politik der Partei.
  50. Wer es sich leisten kann, zahlt die Strafe für ein zweites Kind. Eine Strafe wird zum Preis.
  51. Wer nur ein Kind oder keines hat, scheint die überschüssige Elternliebe auf seine Haustiere zu übertragen.
  52. Denn Chinesen lieben ihre Hunde.
  53. Es ist jedoch unklar, ob chinesische Hunde ihre durch zu viel Zuneigung sehr extravagant gestalteten Frisuren lieben.
  54. Inlandstourismus scheint Prestigebeschäftigung der neuen Wohlhabenden zu sein.
  55. Die meisten chinesischen Touristen reisen auch im eigenen Land in großen Busgruppen und werden effizient durch die nationalen AAA- bis AAAAAA-National-Sights geschleust.
  56. Junge Chinesen reisen individuell, mit Rucksack und per Anhalter.
  57. Chinesische Touristen machen die vermutlich weltschlechtesten Urlaubsfotos.
  58. In Museen machen Chinesen lieber Fotos als sich die Ausstellung anzusehen.
  59. Noch lieber machen Chinesen Fotos von sich selbst.
  60. Am liebsten machen Chinesen aber Fotos von Westlern, egal ob mit oder ohne sich selbst.
  61. Wenn sich drei Chinesen im Café treffen, schauen drei davon die meiste Zeit in ihr Handy.
  62. Damit das Smartphone länger durchhält, tragen viele Chinesen ein externes Batteriepack mit sich herum.
  63. Junge Chinesen geben sich lustige englische Namen, wie Spring oder Summer, Joy oder Fun, Cathy oder Kitty.
  64. Obwohl wir Joy und Fun nicht persönlich getroffen haben, hatten wir jede Menge Spaß mit den Chinesen und in China und kommen gerne wieder zurück, um uns den Rest des Landes anzusehen.

 

Noch mehr Bilder gibt es hier.

Kohle-Power

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Keine Dinosaurier-Technologie

 

 

Leckere Suppe

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Elephants, don't blow!

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Wer soll hier bloß wohnen?

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360° Autobahntunnels made in China

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Wirtschaftswunderland

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E-package of small intestine. Wohl bekomms!

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Freundlicher Empfang an der Baustelle

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Posted from Bangkok, Bangkok, Thailand.

One thought on “64 Beobachtungen im Reich der Mitte

  1. Das ist die bisher kompakteste und beste Zusammenfassung des aktuellen Chinas, die ich je zu Gesicht bekommen habe. Und ich spreche aus Erfahrung. Es ist kaum was hinzuzufügen, außer den Zug- und Busreisen die auch sehr abenteuerlich und zugleich unterhaltsam-abschreckend sein können. Klasse Artikel. Danke Ihr beiden. Und eine gute Heimreise.

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