Die Mongolei. Ein fernes Land, ziemlich weit im Osten, irgendwo zwischen Russland und China. Im Economist liest man immer wieder vom mongolischen Rohstoffboom, von der Hauptstadt Ulaan-Baator, kurz UB, einer Stadt im Aufwind, mit Stahl- und Glaspalästen, teuren Restaurants und Expat-Bars und von seiner jungen Demokratie, einer eher seltenen Erscheinung in Asien. Dazu hat man vage Vorstellungen von Nomaden, Millionen von Schafen und natürlich von der Wüste Gobi. Eine durchaus faszinierende Mischung also, aber eigens dafür einmal um die halbe Welt reisen?
Unsere aufmerksamen Leser wissen, dass das Land nicht auf unserem ursprünglichen Reiseplan stand. Sondern auf Plan D, Variante 2. Und gerade deswegen war unsere Fahrt durch die Mongolei ein ziemlich unerwarteter Höhepunkt der gesamten Reise.
Im Norden ist die Mongolei sehr grün. Hier setzt sich die sibirische Taiga fort und geht langsam in eine Graswüste über. Gebirge durchziehen das Land, hauptsächlich in Ost-West-Richtung. Die höchsten Gipfel im Westen reichen bis über 4000m. Seen und Vulkankrater, heiße Quellen und ungebändigte Flüsse. Paßstraßen führen immer an Flußläufen entlang – manchmal trocken, zu dieser Jahreszeit meist jedoch nicht. Zahlreiche Flußquerungen sind die Folge und bei unklarer Wassertiefe hilft alles nichts: Hose hoch und durchwaten. Dies ist übrigens sicherlich die letzte Reise ohne Schnorchel am Auto.
Je weiter man nach Süden kommt, desto trockener wird das Land. Aus sattem Grün wird helles Grün, Gelbgrün und schließlich das volle Spektrum aus Gelb, Ocker, Rot, Braun und Schwarz. Aus alpinen Tälern werden weite Graslandschaften und später Steppe; aus Steppe wird Halbwüste und aus Halbwüste Steinwüste. An manchen Stellen hat die Erosion beeindruckende Canyons geschaffen, an anderen den Sand zu mächtigen Dünen aufgetürmt.
Straßen und andere zivilisatorische Verschmutzung der Landschaft durch Infrastruktur wie z.B. Brücken gibt es in der Mongolei nur in ziemlich beschränktem Umfang. Im wesentlichen sind im ganzen Land drei Straßen geteert, der Rest ist Piste. Aber nicht etwa angelegte Pisten, mit Fundament, aufgeschottert und durch Terraforming mit halbwegs vernünftigem Streckenverlauf. Pisten in der Mongolei sind die Trampelpfade der Moderne. Wo mehr als zwei Autos nacheinander fahren entsteht eine Piste. Gefühlt ist jeder Punkt mit jedem durch eine Piste verbunden. Natürlich entstehen zwischen zwei wichtigen Punkten auf diese Weise auch große Pisten, aber ohne jegliche Beschilderung ist man immer auf seine digitale OSM-Karte, das GPS und eine gewisse Interpretationskunst angewiesen: die mongolischen Pisten sind nämlich vierdimensional – unbeständig im Zeitverlauf. Da sie nicht gewartet werden, also ab und an mit einem ‘Grader’ wieder glattgezogen werden, entstehen furchtbare Wellblechpisten. Weil die bei Mensch und Material schlimme Schäden hinterlassen, werden immer neue Pisten eröffnet, manchmal 15 oder 20 parallele Spuren. Und nicht selten verändern sich auch ganze Streckenverläufe, so dass man erst nach 20 oder 50 Kilometern in der Wildnis wieder auf bekanntes, also digital kartographiertes Terrain gelangt. Pfadfinden mal anders.
Ob im Gebirge oder in der Wüste, übers ganze Land verteilt stehen die Gers, weiße Rundzelte ganz ähnlich den Jurten Kirgistans. Die traditionelle Behausung der mongolischen Nomaden dient bis heute knapp der Hälfte der Bevölkerung als Wohnung, sozialem Mittelpunkt und Schutz vor Wind und Wetter. Meist stehen zwei bis drei Gers zusammen, davor eine Solarzelle und eine Satellitenschüssel, daneben eine Umzäunung für das Vieh und ein Pferdeparkplatz, der einer Wäscheleine ähnelt.
Viehzucht ist Lebensgrundlage auf dem Land, es gibt kaum Ackerbau. 200 bis 300 Köpfe zählt die durchschnittliche Herde, meist eine Mischung aus Schafen, Ziegen, ein paar Rindern und Pferden und je nach Region auch Kamelen. Angeblich gibt es auf jeden Einwohner 13 Pferde, die Anzahl aller Nutztiere dürfte in die hohen zweistelligen Millionen gehen.
Wenig Ackerbau und viel Viehzucht, das schlägt sich auch auf der Speisekarte nieder. Die traditionelle mongolische Küche kommt ohne viel Gemüse aus; etwas Reis, ein paar Nudeln und jede Menge Tierisches sind deren Hauptbestandteile. Vom Tier wird natürlich alles verwendet. So findet sich auf einem Teller Unbekanntem neben den obligatorischen Innereien auch ab und an ein Stück Hirn, nicht immer zur Freude des hungrigen Gastes. Das Fleisch ist meist vom Hammel, in den Städten auch vom Rind und in der Gobi auch vom Kamel. Letzteres ist eigentlich sehr lecker, wenn auch leicht zäh, da nur die alten Kamele geschlachtet werden.
Dem zweitwichtigsten tierischen Produkt neben Fleisch kommt in der Mongolei gleich eine doppelte Bedeutung zu. Neben der offensichtlichen Funktion als Nahrungsmittel hat Milch eine religiös-zeremonielle Funktion: Vor jeder Mahlzeit werden Himmel und Erde ein paar Tropfen Milch geopfert. Zu besonderen Anlässen wird Milch in die vier Himmelsrichtungen verspritzt, um die Geister gnädig zu stimmen. Und natürlich werden auch die Ovoos, jene schamanistisch-buddhistischen Steinhäufen, bei ihrer dreifachen Umrundung mit Milchopfern bedacht.
Ziemlich spannend also das Ganze. Unendliche Wildnis und fremde Gebräuche. Klang für uns nach Abenteuer. Und das war es auch!
Der Toyota war in seinem Element. Im großstädtischen Verkehrswahnsinn UBs war die in Teheran nachgerüstete Hupe das wichtigste Bauteil, auf den knochenbrecherischen Schlaglochpisten und Wellblechsektionen, den Vulkan-, Geröll-, Schotter- und Matschpisten im Gebirge im Norden und den Stein- und Sandpisten in der Wüste im Süden war es das Fahrwerk. Mit stoischer Ruhe brachten uns seine sechs Zylinder über Berg und Tal, Beanspruchungen nahe am Missbrauch schienen ihm nichts anhaben zu können. Das gab uns unterwegs Zuversicht, denn in der Mongolei ist man sofort ziemlich auf sich gestellt, sobald man eine Stadt oder ein Dorf verlässt. Oftmals wäre es sicherlich beruhigender gewesen, ein zweites Fahrzeug dabei zu haben, denn was macht man in der Gobi, wenn man eine Panne hat oder das Auto umwirft, und es bis zum nächsten Ger in jede Richtung 50km sind? Am Ende ging aber alles gut, und es waren nach unserer tiefsten Flußdurchfahrt auch nur ein paar Tropfen Wasser im Luftfilter .
Die Risiken und Herausforderungen dieser unendlichen Wildnis und Einsamkeit verblassen in der Mongolei aber schnell neben dem Glücksgefühl, das man verspürt, wenn man am schönsten Ort weit und breit sein Auto parkt, die Küche anwirft und inmitten der grandiosesten Landschaft ein leckeres Abendessen und ein kühles Bier genießt.
Unser Fazit: Die Mongolei ist das ultimative Offroad-Camping-Natur-Paradies.
Hier gibt es noch ein paar mehr Mongolei-Bilder.
Vielen Dank für die super spannenden und informativen Berichte! Gute Weiterreise… Kim und Tanja