Nachdem hochrangige russische Politiker seit ein paar Wochen ja keine Schengen-Visa mehr bekommen, hatten wir bei der Beantragung unserer Russland-Visa so ein paar Bedenken. Doch umsonst. Wie geplant konnten wir unsere Pässe mit den Russischen Visa in der Deutschen Botschaft in Astana, Kasachstan, abholen und problemlos nach Russland einreisen. Obwohl näher an Peking als an Berlin, fühlten wir uns Europa gleich ein ganzes Stück näher. Ob das an den Lebensmitteln, der Sprache, dem deutlich weniger bzw. kaum asiatischen Aussehen der Menschen, den fehlenden Pferde-/Eselwagen auf den Straßen oder den weniger korrupten Straßenpolizisten lag, ist schwer zusagen.
Leichter fällt es da über die Freundlichkeit der sibirischen Bevölkerung zu berichten. Denn während das russische Staatsoberhaupt ja gerade durch Unberechenbarkeit glänzt und an Punkten auf der Beliebtheitsskala verliert, hatten wir durchweg nette Begegnungen mit den Russen. Wenn man ihre oft unfreundliche Miene ignoriert und einmal mit ihnen im Gespräch ist, erweisen sich die Russen als sehr kommunikativ und freundlich. Sie ignorieren lange Zeit, dass man kein oder kaum russisch spricht, und erst wenn man eine ganze Weile ein fragendes Gesicht gemacht hat und schließlich in Lachen ausbricht, weil man so rein gar nichts versteht, wird ihr Redefluss auch durch Lachen beendet. Immerhin kommt und bleibt man so eine ganze Weile miteinander in Kontakt und gemeinsames Lachen verbindet oft mehr als eine lange Unterhaltung.
Das erste Straßenschild auf dem transsibirischen Highway M55 mit der Aufschrift “Irkutsk 1800 km” machte uns gleich eines klar: das Land ist riesig. Und so war die erste Woche in Sibirien im Wesentlichen ein echter Road-Trip. Landschaft (Birkenwälder, andere Wälder, Moore, ärmliche Ortschaften) und Straßenbedingungen (Teer mit Schlaglöchern) wechselten kaum. Dafür sorgte das Wetter für Abwechslung: von Hagel bei 4 Grad bis Hitze bei 30 Grad war alles dabei. Und die raue Natur ist irgendwie auch das, was Sibirien ausmacht. Alles ist dadurch ein bißchen “rustikaler” oder “archaischer”: die riesigen Ballonreifen der Holztrucks, die zivilen Panzer mit denen irgendwelche Reparaturen in der Taiga ausgeführt werden, die kräftigen Sibirer, die fast alle in Flecktarn oder Waldarbeiterkleidung gekleidet sind, die deftige russische Küche, die komplett aus Holz bestehenden Blockhäuser in den Dörfern (manchmal hat man den Eindruck wirklich alles in Sibirien besteht aus Holz), die russische Liebe zum Wodka.
Uns hat das gefallen und wir haben es genossen, abends ganz in russischer Manier an Flüssen zu campen, erstmal ein Feuer anzumachen und zwei Wodka auf die 500km-Tagesetappe zu trinken.
Die zweite Woche verbrachten wir am Baikalsee, der aus unserer Sicht zurecht die ‘Perle Sibiriens’ genannt wird. Der tiefste (1642 m) und älteste (25 Millionen Jahre alt) See der Welt enthält ein Fünftel der flüssigen Süsswasserreserven der Erde und ist damit das größte flüssige Süsswasserreservoir. Bei so vielen Superlativen sind die Erwartungen natürlich groß – wir wurden nicht enttäuscht. Von Sandstränden und türkisblauem Wasser über steil ins Wasser abfallende Felsen, auf denen sich Nerpas (die Robbenart des Baikalsees) sonnen, verschiedene Schamanenstätten, glitzerndem Wasser bis zum Horizont und leckerem frischen Omul (Fisch), kann man am Baikalsee vieles erleben, was man in Sibirien so gar nicht erwarten würde. Zusammen mit einem Besuch in der Banya (russische mit Holz geheizte sehr heiße Sauna) und dem obligatorischen Wodka mit sauren Gürkchen zwischen den Saunagängen wurde für uns daraus eine richtige Genußzeit.Da war der kurzzeitige Schock, den uns die kaputte Vorderachse des Toyotas bei der Ankunft am Baikalsee beschert hatte, schnell vergessen. Die sehr kompetenten und netten Mitarbeiter des Toyotazentrums in Irkutsk hatten mit ihrem unkonventionellen Vorgehen und ihrer enormen Hilfsbereitschaft dafür gesorgt, dass sich Geldaufwand und Zeitverlust dabei sehr in Grenzen hielten.
Und so verließen wir Sibirien Richtung Mongolei mit einigen revidierten Vorurteilen über Russland und Lust auf mehr – das Land ist ja groß genug für weitere Reisen.