Iranische Impressionen

Der Teer flimmert, das Außenthermometer zeigt 38 Grad, mit langer Hose, langen Ärmeln und Kopftuch sitze ich im Auto und fluche – wir sind im Iran. Micha flucht auch, aber nicht über die Kleidungsvorschriften für Frauen, sondern über das Fahrverhalten der Iraner. Es scheint etwas Besonderes zu sein, einmal einen ausländischen Jeep überholt zu haben, und so werden wir in halsbrecherischen Aktionen an den unmöglichsten Stellen überholt – ganz zu schweigen vom Stadtverkehr in Teheran, aber dazu später.

Alte Freitagsmoschee, Shiraz

Alte Freitagsmoschee, Shiraz

Nach einem beeindruckenden Sonnenaufgang auf dem Mt. Nemrut in Anatolien und ein paar entspannten Tagen im kurdischen Teil der Türkei sind wir über den gemütlichen Provinzgrenzübergang Esendere/ Sero in den kurdischen Teil des Irans gereist. Den Alkoholvernichtungsabend am Lake Van in der Türkei hätten wir uns sparen können, denn die iranischen Grenzbeamten wollten unser Auto weder sehen noch seinen Inhalt überprüfen. Stattdessen wurden wir von den Beamten zum ersten Mal zum Tee eingeladen (viele Tee-Einladungen im Iran sollten noch folgen) – eine etwas andere Grenzerfahrung.
Wir haben den Eindruck, dass man in Iran als Deutscher besonders willkommen ist. “Alman, good good” bekommen wir häufig zu hören, wenn wir sagen woher wir kommen. Mal schwärmen die Iraner von deutschen Autos (obwohl es hier wegen des Embargos und der wirtschaftlichen Lage natürlich kaum welche gibt), mal von Fußballstar Özil, mal rufen sie “Heil Hitler” und wir können nur mit “in Germany only stupid people say that” andeuten, was wir davon halten. Spätestens, wenn wir erzählen, dass wir mit dem Auto von Deutschland bis hierher gefahren sind, ernten wir immer große Anerkennung.

Wasserpfeifenhändler in Shiraz

Wasserpfeifenhändler in Shiraz

Insgesamt sind wir überwältigt von der Gastfreundschaft und dem unaufdringlichen Interesse uns bzw. Fremden im Allgemeinen gegenüber. Trotz der meist spärlichen Englischkenntnisse wird einem immer geholfen und alles möglich gemacht. Vom Abschluss einer Autoversicherung (“No, not for a year, only for 3 weeks”), über das Finden eines ganz speziellen Ersatzteils (für Interessierte: Achsstabilisatorgummi der Hinterachse) bis zum Kopftuchbindekurs, mit keiner Anfrage stoßen wir auf die deutsche geht-nicht- oder gibts-nicht-Miene.
Auch an den Tankstellen sind wir auf die Gastfreundschaft der Iraner angewiesen: Tankstellen funktionieren hier ausschließlich über spezielle Tankkarten. Da wir (zum Glück) keine Tankkarte haben (manche Reisenden mit eigenem Auto werden wohl gezwungen, zu horrenden Preisen eine solche Tankkarte an der Grenze zu kaufen), müssen wir an den Tankstellen immer einen Truckfahrer (Autos tanken hier keinen Diesel) fragen, ob er uns auf seine Karte tanken lässt, was bei einer max. Abgabemenge pro Tag und Person nicht selbstverständlich ist. Ein kurzes Gespräch mit uns Exoten scheint den Einsatz jedoch immer zu rechtfertigen.

Teppichbasar, Isfahan

Teppichbasar, Isfahan

Persien – das Land aus 1001 Nacht, die Hochkultur des Orients – und Iran – das Land auf dem Weg zur Atommacht, mit einer Führung, die den Holocaust leugnet – scheinen, wenn man der aktuellen Presse glaubt, nicht viel miteinander zu tun zu haben. Nach zwei Wochen im Land haben wir viele wunderschöne Moscheen, alte Karawansereinen, riesige Basare mit umtriebigen Händlern, uralte Felsreliefs und verträumte Orangengärten gesehen, die uns mehr als einmal an die Märchen aus 1001 Nacht erinnert haben (mehr dazu in der Fotogalerie, sobald es die Internetverbindung hergibt). Und wir haben viele Menschen getroffen, die mit ihrer Regierung und der politischen und gesellschaftlichen Lage im Land sehr unzufrieden sind und (wie ich) über die Kleidungsvorschriften für Frauen fluchen.

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